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Makro Big Picture - Teil 1/3

Was ist Inflation eigentlich? Und was ist das Problem daran? Diese Blog-Serie klärt dich über unser monetäres System auf.

Makro Big Picture - Teil 1/3

Zürich - 16.02.2022

In den letzten Wochen und Monaten geriet zunehmend ein Begriff ins Zentrum der wirtschaftlichen Berichterstattung: Inflation. Für viele ist Inflation nicht wirklich ein greifbarer Begriff und vor allem jüngere Personen waren überhaupt noch gar nie merklich davon betroffen.

Was ist Inflation eigentlich? Und was ist das Problem daran?

Ich habe versucht, mehr darüber zu erfahren und teile die Ergebnisse meiner Recherchen mit der Cryptoverse.ch-Community in diesem Text. Um den Text übersichtlich zu halten, habe ich in den Kapiteln über das monetäre System und Inflation die meist verwendete Quelle nicht mehr angegeben. Es handelt sich dabei um das Buch “Grundzüge der Volkswirtschaftslehre” von N. Gregory Mankiw und Mark P. Taylor. Alle weiteren Quellen sind direkt im Fliesstext angegeben.

Im Wikipedia-Artikel zur Inflation heisst es «Inflation, …, bezeichnet den allgemeinen Anstieg des Preisniveaus einer Ökonomie über einen bestimmten Zeitraum» und weiter «…, dass sehr hohe Inflationsraten und Hyperinflation schädlich sind und durch ein übermässiges Wachstum der Geldmenge verursacht werden» (wikipedia.org).

Also handelt es sich bei Inflation um die Rate, um welche die Preise innerhalb einer Region steigen. Ausgelöst wird dies im extremen Fall durch übermässiges Wachstum der Geldmenge. Was ist denn eine Geldmenge und wie kann sie wachsen? Es macht wohl Sinn, wenn wir zuerst unser Geldsystem betrachten und verstehen.

Das monetäre System

Was ist Geld?

Diese Frage scheint ebenso banal wie komplex. In der Volkswirtschaftslehre bezeichnet man Geld als «Bündel von Aktiva, das die Menschen in einer Volkswirtschaft regelmässig dazu verwenden, Waren und Dienstleistungen von anderen Menschen zu erwerben» (Mankiw & Taylor, 2018, S. 804). Was etwas kryptisch klingt, ist eigentlich jedem von uns bewusst: Geld ist

  • Ein Tauschmittel: Wir geben einem Bäcker 10 Geldstücke und erhalten im Gegenzug ein Brot. Es hat eine Transaktion stattgefunden und Aktiva (das Geldstück und das Brot) wurden getauscht beziehungsweise wurde das Brot gegen Geld erworben.
  • Eine Recheneinheit: Wenn wir nun 20 Geldstücke für ein Kilogramm Fleisch eintauschen könnten, so könnten wir auch sagen, dass ein Kilogramm Fleisch zwei Laibe Brot teuer ist. Das macht jedoch niemand. Wir drücken Preise in Geldeinheiten aus. Genau gleich verhält es sich mit Schulden. Wir benutzen also Geld dazu, den Wert eines Gutes oder einer Schuld anzugeben. Im Prinzip ist Geld so betrachtet nichts anders als eine Masseinheit
  • Ein Wertaufbewahrungsmittel: Mit Geld können wir Wert oder Kaufkraft in die Zukunft übertragen. Dies geschieht folgendermassen: Wir haben dem Bäcker gestern 10 Geldstücke für ein Brot gegeben und machen dasselbe heute nochmals. Der Bäcker hat nun von gestern 10 Geldstücke und von heute 10 Geldstücke. Mit den insgesamt 20 Geldstücken geht er morgen zum Metzger und kauft sich ein Kilogramm Fleisch. Er hat seine Kaufkraft aus dem Tausch von gestern und heute auf morgen übertragen. Er kann aber die Geldstücke auch in einem halben Jahr gegen Fleisch eintauschen. Hätten wir direkt mit Waren gehandelt, würde dies nicht funktionieren. Nehmen wir an, wir sind Bauern und tauschen Äpfel gegen das Brot. So kann der Bäcker vielleicht in den nächsten zwei, drei Tagen die Äpfel noch gegen Fleisch eintauschen, in einem halben Jahr wird der Metzger den Handel aber sicherlich nicht mehr eingehen, da die Äpfel verrottet sind. Zudem funktioniert dies auch nur, wenn der Metzger Äpfel haben will, womit wir wieder bei der ersten Eigenschaft wären.

Aus den oben genannten Beispielen können wir bereits die beiden Formen von Geld ableiten: Es gibt Warengeld und Rechengeld. 

Warengeld hat einen eigenen (intrinsischen) Wert. Ein Beispiel dafür wäre eine Goldmünze. Gold hat einen Wert, da es in der Industrie oder in der Schmuckherstellung verwendet wird. Unter diese Kategorie fallen auch Währungen, welche durch Gold gedeckt sind. Der Staat druckt Papiergeld, hat aber für jede Einheit Papiergeld den Wert in Gold hinterlegt und könnte auf Verlangen das Gold wieder gegen das Papiergeld eintauschen. Dies nennt sich Goldstandard. Ein weiteres Beispiel dafür sind Zigaretten, welche häufig in Kriegen als Zahlungsmittel unter den Soldaten und Einheimischen verwendet wurden.

Auf der anderen Seite hat Rechengeld keinen intrinsischen Wert. Dieses ist nicht durch Gold oder etwas dergleichen gedeckt. Unsere Noten und Münzen fallen auch in diese Kategorie, da die Materialien kaum den Wert abbilden können. Trotzdem ist natürlich nicht jedes Stück Papier, welches mit 10 Franken bedruckt wird, 10 Franken Wert. Nur diejenigen, welche von der Schweizerischen Eidgenossenschaft beziehungsweise der Schweizerischen Nationalbank (SNB) gedruckt und herausgegeben werden. Dies ist so, da der Staat für den Wert bürgt und wir daran glauben, dass der Staat Leistungen im Wert von 10 Franken für die Note erbringen kann. Würde niemand daran glauben, hätte auch die 10-Franken-Note vom Staat keine 10 Franken wert beziehungsweise erhielte man dafür keine Waren. In ärmeren und häufig korrupten Staaten kommt es vor, dass die Bürger lieber mit US-Dollar Geschäfte tätigen anstatt mit der eigenen Währung. Sie glauben schlichtweg nicht daran, dass ihre eigene Währung am nächsten Tag oder in einem Jahr noch denselben Wert hat und dieselbe Menge an Gütern damit gekauft werden kann. Schlussendlich könnte man fast behaupten, Rechengeld hat denselben Wert wie das Vertrauen der Bürger in den Staat.

Die Geldmenge

Nun wissen wir, was Geld überhaupt ist und über welche Eigenschaften es verfügt. In der Wikipedia-Definition von Inflation sind wir auf den Begriff Geldmenge gestossen. Die gesamte Menge an Geld, welche innerhalb einer Volkswirtschaft zirkuliert, wird als Geldmenge bezeichnet. Diese wird in drei Grössen nach dem Liquiditätsgrad unterteilt. Der Liquiditätsgrad gibt an, wie einfach man etwas in ein akzeptiertes Tauschmittel wie Geld umgetauscht werden kann. 

Die Geldmenge setzt sich folgendermassen zusammen:

M1

  • Bargeld und Umlauf
  • Täglich fällige Sichteinlagen (zum Beispiel ein Giro-/Privatkonto bei einer Bank. Man kann jederzeit über das gesamte Guthaben verfügen und z.B. mit einer EC-Karte beziehen)

M2

  • M1
  • Einlagen mit einer vereinbarten Kündigungsfrist von bis zu drei Monaten
  • Einlagen mit einer vereinbarten Laufzeit bis zu zwei Jahren

M3

  • M2
  • Repogeschäfte (Wertpapierpensionsgeschäfte)
  • Geldmarktfondsanteile
  • Geldmarktpapiere
  • Schuldverschreibungen (Obligationen) mit einer Laufzeit bis zu zwei Jahren

Die genauen Definitionen der Bestandteile der einzelnen Mengen ist nicht entscheidend für den Moment. Wichtig zu wissen ist, dass die Geldmenge nicht nur durch Bargeld oder Geld auf der Bank definiert ist und dass deren Bestandteile nach Liquiditätsgrad eingeteilt werden.

Und wie verändert sich nun die Geldmenge?

Hier kommen die Zentralbanken, auch Nationalbanken genannt, ins Spiel. Zentralbanken haben die Aufgabe, die Geldmenge zu steuern und das Bankensystem zu überwachen. Dabei ist wichtig im Hinterkopf zu behalten, dass die Zentralbanken alleine eine Wirtschaft nicht vor Krisen bewahren können. Die Zentralbanken steuern die Geldmenge mit ihrer Geldpolitik. Die Geldpolitik ist das Gegenstück zur Fiskalpolitik des Staates. Der Staat spielt ebenfalls eine wichtige Rolle bei der Verhinderung oder Bekämpfung von Wirtschaftskrisen. Er kann dabei auf Steuersenkungen und -erhöhungen sowie Infrastrukturprojekte zurückgreifen, kann die Geldmenge jedoch nicht direkt steuern. Dies erledigt die unabhängige Zentralbank. Zentralbanken sollten zwar unabhängig vom Staat sein damit sie ihre Geldpolitik ungehindert umsetzen können, trotzdem arbeiten sie natürlich eng mit dem Staat zusammen. Eine Geldpolitik, welche nicht auf die Fiskalpolitik abgestimmt ist, wird ihre Ziele nur schwer erreichen und umgekehrt. Trotzdem kann beispielsweise der Bundesrat keinen direkten Einfluss auf die Schweizerische Nationalbank ausüben. 

Ein wichtiger Bestandteil der Geldpolitik ist die Offenmarktpolitik. Dabei kauft die Zentralbank Wertpapier von Geschäftsbanken oder verkauft Wertpapiere an Geschäftsbanken. Will eine Zentralbank die Geldmenge erhöhen, so druckt sie Geld und kauft damit den Geschäftsbanken Wertpapiere ab. Der bezahlte Preis pro Wertpapier steht nun den Geschäftsbanken «cash» zur Verfügung. Die Bank kann das Geld als Kredite weitergeben. Das gedruckte Geld ist somit in den Wirtschaftskreislauf eingebracht. Die Geldmenge hat sich erhöht. Will die Zentralbank die Geldmenge verringern, verkauft sie die Wertpapiere wieder an die Geschäftsbanken. Das erhaltene Geld ist nun im Besitz der Zentralbank. Es ist nicht mehr im Umlauf und somit dem Wirtschaftskreislauf entzogen. Die Geldmenge hat sich verkleinert. 

Doch die Zentralbanken beeinflussen die Geldmenge nicht nur mit der Offenmarktpolitik und schon gar nicht allein. Geschäftsbanken spielen eine wesentliche Rolle in unserem monetären System. Wir erinnern uns, die Geldmenge besteht unter anderem aus Bargeld und den Sichteinlagen (Giro-/Privatkonti). Da diese Sichteinlagen bei Banken deponiert sind, beeinflusst die Geschäftstätigkeit der Banken die Geldmenge direkt. Um zu verstehen, wie dies geschieht, stellen wir uns eine Welt ohne Banken vor:

Hundertprozentige Reservehaltung

In einem monetären System ohne Banken gibt es ausschliesslich Bargeld. Wir nehmen an, die gesamte Geldmenge beträgt 1’000 Franken in bar. Luca von Cryptoverse.ch hat Angst um sein Geld, dieses hat er Zuhause unter dem Kopfkissen. Moreno kommt auf die geniale Idee, Luca dafür eine Lösung zu bieten: Er gründet die erste Bank in diesem System, nennen wir sie einfachheitshalber Bank Moreno.

Luca, der einzige Besitzer von Geld in diesem System, bringt seine 1'000 Franken zu Moreno auf die Bank. Dieser bewahrt Lucas Vermögen sicher auf und vergibt keine Kredite. Das heisst, die 1'000 Franken werden vollumfänglich zu den Reserven von Morenos Bank gezählt. Die Bilanz der Bank Moreno setzt sich nun folgendermassen zusammen:

Als Reserven werden Gelder bezeichnet, welche eine Bank nicht weiterverleiht oder nicht weiterverleihen darf. In unserem Beispiel hier deckt sich der Betrag der Reserven vollumfänglich mit den Einlagen. Die Einlage von Luca stellt für die Bank Moreno eine Verbindlichkeit dar, da sie sich dazu verpflichtet hat, das Geld an Luca zurückgeben, sofern er dies fordert. In diesem Sinne kann man Einlagen bei Banken quasi als Kredite AN die Bank betrachten. Für uns wichtig ist zu sehen, dass sich die Geldmenge nicht verändert hat. Die Bank hat eine Schuld bei Luca von 1'000 Franken und gleichzeitig Reserven von 1'000 Franken. Ein Nullsummenspiel.

Partielle Reservehaltung

Nach einiger Zeit mit den 1'000 Franken im Tresor denkt sich Moreno, dass es doch schade ist, dieses Geld einfach so rumliegen zu lassen. Schliesslich wird er häufig von Unternehmern nach Kapital gefragt. Warum nicht einfach einen Teil von Lucas Einlage als Kredit verleihen und dafür einen Zins verlangen? Gesagt getan! Moreno beschliesst, 10% der Einlagen als Reserven zu halten, nur falls Luca mal einen Teil abheben möchte. Diese 10% nennt man Reservesatz und wird in der Realität durch den Staat und die Zentralbanken festgelegt. Die Berechnung dieses Satzes ist äusserst komplex und wirtschaftlich von grosser Bedeutung. Ist der Reservesatz zu tief festgelegt, drohen Banken im Krisenfall insolvent zu werden. Seit der Finanzkrise 2008 hat man hier zum Glück einiges gelernt. Um nicht politisch zu werden, gehen wir hier aber nicht tiefer darauf ein. Um das Beispiel der partiellen Reservehaltung zu vereinfachen, lassen wir zudem den Zins ausser Acht, welcher die Bank Moreno an Luca bezahlen würde und den jenen, welcher der Kreditnehmer an die Bank Moreno bezahlen würde. 

Die Bilanz der Bank Moreno sieht nun folgendermassen aus:

Beide Seiten der Bilanz weisen immer noch eine Summe von 1'000 Franken aus. Trotzdem hat sich etwas Entscheidendes innerhalb unseres Systems verändert. Moreno hat 900 Franken einem Unternehmer verliehen, dieser erhält das Geld cash und kann damit Produktionsmaschinen kaufen. Luca auf der anderen Seite hat immer noch das Anrecht auf seine 1'000 Franken, aber gleichzeitig sind 900 Franken mehr Geld im Umlauf. Die Geldmenge hat sich um 900 Franken erhöht! Solange Luca seine 1'000 Franken nicht abhebt, bleibt dies auch so. Würde Luca nun sein Geld holen, müsste Moreno zwar den Kredit beim Unternehmer einfordern, um Luca auszubezahlen. Für den Moment sind jedoch 900 Franken «geschöpft» worden. Ist Moreno der beste Unternehmer der Geschichte und kann Geld zaubern? Nein, leider nicht, zumindest nicht in diesem Beispiel…Wir müssen hier im Hinterkopf behalten, dass es sich trotzdem um ein Nullsummenspiel handelt. Der Kreditnehmer verpflichtet sich, die Schuld bei der Bank Moreno zurückzuzahlen, also führt er den Kredit in seiner Bilanz als Schuld auf und das erhaltene Bargeld als Vermögen auf der anderen Seite. Er hat also nichts «gewonnen». Nur die Menge an cash hat sich verändert. Aus diesem Beispiel ist übrigens das Bankgeschäft per se ableitbar: Moreno würde Luca beispielsweise 5% Zins auf seine Einlage zahlen und für den gewährten Kredit an den Unternehmer 7% Zins einfordern. Die Differenz von 2% nennt man Zinsmarge und ist seit deren Erfindung die Haupteinnahmequelle der Banken. 

In der echten Wirtschaft ist die Bank Moreno natürlich nicht alleine. Die Geldschöpfung hört hier noch nicht auf. Der Kreditnehmer von Moreno hat nun eine Maschine gekauft und bezahlt. Der bezahlte Betrag wird wieder bei einer anderen Bank deponiert. Diese Bank behält ebenfalls 10% als Reserve zurück und gibt 90% als Kredit weiter. So wird erneut Geld geschöpft. Dies geht im Prinzip ewig so weiter und resultiert im sogenannten Geldschöpfungsmultiplikator. Dessen Herleitung ersparen wir uns hier, für eine Zentralbank und deren Volkswirtschaft ist allerdings ein essentiell zu wissen, wie viel Geld geschöpft wird oder geschöpft werden kann. Mit dem Geldschöpfungsmultiplikator wird angegeben, wie viel Franken aus einem Franken Einlage geschöpft wird. Um die Stabilität einer Volkswirtschaft gewährleisten zu können, müssen Zentralbanken dafür sorgen, dass einerseits die Banken genügend Reserven aber andererseits auch genug Spielraum haben, um Kredite vergeben zu können. Diese Gratwanderung zu meistern ist in «normalen» Zeiten schwierig genug, bei einem externen Schock wie der Corona-Pandemie scheint es fast unmöglich, die perfekte Balance zu finden. Dazu kommen wir allerdings später. 

Die Instrumente der Zentralbanken

Zuerst müssen wir wissen, wie eine Zentralbank überhaupt Geld an die Banken verteilen kann. Wir haben die Offenmarktgeschäfte bereits kennengelernt. Die Zentralbank verkauft dabei meist festverzinste Anleihen an die Banken oder kauft Anleihen den Banken ab, je nachdem, ob sie die Geldmenge erhöhen oder senken möchte. Heutzutage gewähren die Zentralbanken über Offenmarktgeschäfte den Banken indirekt Kredite, indem sie beim Kauf der Anleihen von Banken den späteren Verkauf dieser Anleihe bereits zeitlich festlegen. Die Anleihe dient dabei als Kreditsicherheit. Bei dieser Art von Offenmarktgeschäft bestimmt die Zentralbank einen Zinssatz, den sogenannten Refinanzierungssatz. Mit der Höhe dieses Zinssatzes bestimmt die Zentralbank, wie attraktiv es für eine Bank ist, sich bei ihr Geld zu leihen. Ist der Zinssatz tief, macht es für die Geschäftsbank mehr Sinn, sich bei der Zentralbank Geld zu leihen und es an Kunden weiter zu vergeben. Sind die Zinsen jedoch hoch, überlegt sich die Geschäftsbank zweimal, ob sie nicht besser anderweitig Kapital suchen sollte. Beschafft sich die Bank Kapital auf anderem Wege, wird die Geldmenge nicht (oder weniger stark) beeinflusst.

Ein anderes Mittel der Zentralbanken sind die Mindestreserveanforderungen. Also die minimalen Reserven, welche eine Bank von ihren Kunden-Einlagen als Sicherheit zurückbehalten muss und nicht als Kredit weitergeben darf. Damit kann der Geldschöpfungsmultiplikator direkt beeinflusst werden. Da diese Anforderungen selten verändert werden, gehen wir hier nicht weiter darauf ein. Wichtig zu wissen ist, dass dies ebenfalls ein Werkzeug der Zentralbanken ist. 

Im Zuge der Finanzkrise von 2008 senkten die Zentralbanken rund um den Globus die Zinsen. Somit war es für Banken billig, Geld bei ihrer Zentralbank aufzunehmen und an Kunden weiter zu verleihen, welche ebenfalls von den tiefen Zinsen profitierten. So wurde versucht, den Geldfluss stabil zu halten. Ein Stillstand der Wirtschaft muss in solchen Krisensituationen unbedingt verhindert werden. Zahlungsausfälle bei Rechnungen oder Löhnen im grossen Stil würden zu einer Spirale führen und nach und nach Firmen und Private zur Zahlungsunfähigkeit bringen. Zinsen würden nicht mehr bezahlt, was noch mehr Banken ins Wanken bringen würde, womit dann die Ankurblung der Wirtschaft fast nicht mehr möglich ist. Denn, wir haben bereits gesehen, ohne Banken sind die Zentralbanken kaum in der Lage, die Wirtschaft überhaupt zu stimulieren und Geld hineinzupumpen.

Doch was ist, wenn die Zinsen bereits tief sind oder gar bei null und die Wirtschaft trotzdem nicht an Schwung gewinnt?

Genau dies war in der Finanzkrise der Fall und die Zentralbanken waren dazu gezwungen, neue Mittel einzusetzen. Quantitative Easing (QE) oder quantitative Lockerung wurde ins Leben gerufen. Dabei werden durch Zentralbanken allerlei Arten von Aktiva der Banken gekauft. Private Anleihen, Staatsanleihen, Geldmarktpapiere, Aktien, teilweise auch Immobilien oder verbriefte Immobilienkredite. Gerade im Zusammenhang mit der Finanzkrise 2008 kauften Zentralbanken solche Immobilienkredite auf, die meist faul und ein Hauptauslöser der Krise waren. Im Unterschied zu Offenmarktpositionen können beim QE mehr verschiedene Vermögenswerte an die Zentralbank verkauft werden. Dabei wird kein Kredit gewährt, sondern ein tatsächlicher Kauf findet statt, eine Rückzahlung ist nicht geplant.

Endlich wissen wir, wie die Zentralbanken und Banken Geld «herstellen» und damit die Wirtschaft beeinflussen können.

Zentralbanken stehen hierbei vor zwei Problemen, welche sie nicht wesentlich beeinflussen können:

Einerseits ist das System mit partieller Reservehaltung auf Einlagen angewiesen. Es kann schliesslich nur Geld verliehen werden, wenn die Banken Geld von Kunden erhalten und dieses Geld im Grossen und Ganzen stabil auf den Konten verweilt. Würden alle Sparer ihr Geld auf einmal abheben, wäre es nicht mehr möglich, weiter Geld zu schöpfen und somit die Wirtschaft zu unterstützen. Sogenannte Bankruns gab es immer wieder in der Geschichte, für mich wirklich präsent ist allerdings nur jener in Griechenland während der Eurokrise. Da Griechenland der Europäischen Zentralbank «unterstellt» war, konnte Geld aus dem Euro-Raum «importiert» werden, um die griechischen Sparer doch noch auszuzahlen. Ohne EZB wären dabei wahrscheinlich mehrere Banken pleite gegangen und die Krise hätte sich für Griechenland nochmals zugespitzt. Natürlich muss hier gesagt werden, dass die EU und EZB nicht gerade unschuldig gewesen sind, was die Eurokrise betrifft. Aber dies ist ein ganz anderes Thema…

Andererseits können Nationalbanken die Geschäftsbanken nicht dazu zwingen, Geld zu verleihen. Banken dürfen natürlich auch mehr Reserven halten als die Mindestreserveanforderungen verlangen. Dies könnte dann der Fall sein, wenn die zukünftige wirtschaftliche Lage generell düster eingeschätzt wird und die Kredite nur noch an sehr gute Schuldner vergeben werden. Schliesslich möchte eine Bank ein möglichst geringes Risiko eingehen (theoretisch natürlich…).

Fortsetzung folgt...