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Blockchain, Web3 und die Veränderung der Urheberrechte durch NFT

Dies ist ein Interview zwischen dem HSLU Student Julian Birrer und Cryptoverse Co-Founder Luca Jöhl.

Blockchain, Web3 und die Veränderung der Urheberrechte durch NFT

Luzern, 12.01.2022

Julian Birrer studiert an der HSLU Digital Ideation mit Fokus auf Informatik und behandelt in seiner Studie die Veränderung des Urheberrechts durch Non-Fungible Token (NFT). Im Rahmen dieser Abschlussarbeit fand ein Interview zwischen Julian und Luca Jöhl von Cryptoverse statt.

Julian: Seit wann beschäftigen Sie sich mit dem Thema Blockchains / Krypto Währungen?

Luca: Mein erstes aktives Investment in Kryptowährungen tätigte ich im November 2017, kurz vor dem Höhepunkt des letzten Krypto-Bullruns. Seither beschäftige ich mich mit den Themen Blockchain, Web3 und Kryptowährungen. Der Krypto-Space hat mich regelrecht in seinen Bann gezogen. Im Frühling 2021 entschied ich mich dazu, meine professionelle Zukunft 100% dem Web3 zu widmen.

Julian: Sie haben ein eigenes Krypto Unternehmen gegründet, was macht Ihr Betrieb?

Luca: Cryptoverse.ch beabsichtigt die Schnittstelle zwischen Retail-Investoren (Kleinanlegern) und der Krypto Welt zu bekommen. Die Eintrittshürde in Krypto ist heute noch ziemlich gross.

Unsere Vision ist, dass jede/r Schweizer/in über ein eigenes Web3-Wallet (z.B. Metamask) verfügt und in der Lage ist, mit DeFi-Plattformen zu interagieren.

Eine entsprechende Academy mit interaktiven Erklärungen rollen wir dieses Jahr aus. Ergänzend bieten wir Workshops und Einzeltrainings für Privatpersonen als auch Unternehmen an. Für fortgeschrittene Web3-Anwender macht unsere Mitgliedschaft Sinn, welche Zugang zu unseren Deep-Dive Reports über unterbewertete Kryptowährungen und dem privaten Discord Server gewährleistet. Weiter arbeiten wir mit einem Schweizer Vermögensverwalter zusammen mit 100% Fokus auf Kryptowährungen, über welchen wir Kapital von Privatpersonen oder Unternehmen investieren dürfen. Wir haben viele weitere Ideen und Konzepte, welche wir dieses Jahr umsetzen werden.

Julian: Warum sind Sie von Blockchain fasziniert?

Luca: Mich faszinieren neue und disruptive Technologien oder Fortschritte, sei es in der Genforschung, Raumfahrt, IT etc. Während meines vorgängigen Jobs vertrieben wir innovative IT-Systeme aus dem Silicon Valley hier in der Schweiz. Die Blockchain-Technologie sehe ich als eine logische Evolution des Internets: Internet of trust. Die Blockchain ist ein neuer und innovativer Weg, um Dezentralisierung zu implementieren. Wie erkennt man in der heutigen Welt, ob etwas gefälscht oder echt ist? Wir vertrauen auf eine zentrale Autorität, sei es eine Bank, ein staatliches Amt oder eine Person, die die Macht hat, Informationen herauszugeben und zu validieren. Hinzukommen die Risiken des heutigen Internets (Web2) wie Datenmissbrauch, Schutz der Privatsphäre, Internetbetrug, Hacks von zentralem Server usw. Bitcoin war das erste Geld, das die Notwendigkeit für eine zentralisierte Autorität entfernt. Aufzeichnungen werden von jedem gehalten, nicht nur von den Zentralbanken. Niemand ist in der Lage das Hauptbuch der Transaktionen zu ändern. Bitcoin ist ein Protokoll, welches auf einer Blockchain aufgebaut ist.

Julian: Finden Sie Blockchains und NFT sind nur ein vorübergehendes Phänomen oder verändern sie nachhaltig die Welt?

Luca: Wir beobachten die Industrie tagtäglich. Dabei fällt mir auf, wie die besten Talente aus dem Web2-Bereich (von Facebook, Microsoft, Apple, Google, Uber etc.) zunehmend zu Web3-Unternehmen wechseln. Unzählige Führungspersönlichkeiten aus dem Silicon Valley verliessen 2021 traditionelle Tech-Unternehmen. Offensichtlich wechselten nicht alle zu Blockchain-Unternehmen, die Message für mich ist eher, dass die Web2-Welt ziemlich am Peak angekommen ist. Die besten und schlausten Köpfe sind in Kryptowährungen investiert (Elon Musk, Tim Cook, Jack Dorsey, Winkelvoss Zwilinge, Edward Snowden, Ray Dalio, Kevin O’Leary, Snoop Dogg ;) und viele mehr). Vermutlich schauen wir in 10 Jahren auf das Web2 zurück und fragen uns, wie wir einer Handvoll privaten Unternehmen derart viel Macht und Kontrolle schenken konnten. Bill Gates wurde 1995 ausgelacht und man sagte ihm, dass sich das Internet nie gegen Radio oder Fernseher durchsetzen wird. Wir sind wieder im Jahr 1995, mit dem Unterschied, dass die Adoption von Blockchain ungefähr 40% schneller voranschreitet als das Internet in den 90er und 2000er Jahre.

Julian: Non-Fungible Token sind stark im Trend. Sehen Sie darin Zukunft?

Luca: Unsere Einschätzung ist, dass NFTs und Blockchain-Gaming (welche auf NFTs basieren) der Blockchain-Technologie zu Mainstream verhelfen. Metaverse und Blockchain-Gaming Projekte erachten wir in den kommenden 5-10 Jahren als den profitabelsten Investmentbereich innerhalb Kryptowährungen. Meine persönliche Prognose für 2030 ist, dass Artikel aus Online-Shops, Tickets, Güter wie Fotos etc. und nicht in Form eines NFTs auf der Blockchain existieren, ein Scam/Betrug sind. Einige Anzeichen für diesen Trend:

- Facebook hat sein Unternehmen kürzlich in Meta umbenannt (Kurzform für Metaverse)

‐ Nike kauft sich ein NFT-Designstudio RTFKT

‐ Disney und Microsoft entwickeln eigenes Metaverse

‐ Adidas führt erste NFT Kollaboration durch

‐ Schweizer Post stellt Blockchain-basierte Briefmarken aus

Dieses Jahr werden wir eine fundamentale Weiterentwicklung von NFT Use Cases beobachten können. Bisher dienten NFTs hauptsächlich als Sammlerstücke oder Kunstobjekte.

Julian: Blockchains sind ein wichtiger Bestandteil des Web 3.0, wie stellen Sie sich das Web 3.0 vor?

Luca: Als natürliche Weiterentwicklung des Internets und zur Bekämpfung von Problemen im Zusammenhang mit dem Schutz der Privatsphäre und Datenschutzverletzungen ist das Web 3.0 auf dem Weg und die Blockchain wird wahrscheinlich die grundlegende Technologie sein, die diesen Fortschritt in grossem Massstab anführt.

Web 3.0 ist eine zukünftige Idee des Internets, die eine dezentralisierte Eigenschaft haben wird.

Ich habe hierzu einige Analogien, welche das Verständnis vereinfachen:

Das Web3 besteht aus Plattformen und Protokollen, die nicht von einem einzelnen Unternehmen kontrolliert werden, welcher aber dennoch jeder vertrauen kann. Drei Kriterien tauchen überall auf:

Das Web3 schafft Demokratie, Gleichheit, jeder Service kann von allen benutzt werden und persönliche Datenverluste/Identitätsdiebstahl gehört der Vergangenheit an.

Julian: Was ist das Problem mit dem jetzigen Urheberrecht? Welche Rolle nimmt der Staat ein? Und wieso brauchen Blockchains und NFT eine rechtliche Grundlage?

Luca: Heute treten talentierte Künstler ihr geistiges Eigentum einem Label oder Studio ab, weil ihnen die Finanzierung und Reichweite fehlt. Diese Organisationen nehmen anschliessend einen Grossteil der Profite ein. Die Blockchain-Technologie kann hier helfen Urheberrechte zu «tokenisieren» und diese potenziellen Fans zu Verkaufen. Meiner Meinung nach ist es die Aufgabe des Staates angemessene Rahmenbedingungen zu definieren. Wir haben hierzulande das Glück, dass die Gesetze ziemlich fortschrittlich sind. Rechtliche Grundlagen für NFTs sehe ich insofern, wenn der Besitz eines NFTs ein passives Einkommen generiert. Ab diesem Moment zählt das NFT zu der Kategorie Security-Tokens und sind somit steuerpflichtig.

Julian: Mit NFT können Digitale Inhalte urheberrechtlich geschützt werden, da durch eine Blockchain genau bestimmt werden kann, wer der Urheber ist. Finden Sie dies ist nötig? Ja/Nein und warum?

Luca: Ja, ich finde jeder sollte das Recht haben, seine Schöpfungen schützen zu lassen. Künstler, die digitale Inhalte produzieren, sind nun in der Lage ihre Werke zu verkaufen und gleichzeitig das Urheberrecht zu behalten. Fälschungen und Raubkopien können einfach identifiziert werden und weiter kann der Künstler sein geistiges Eigentum an beispielsweise einen Filmproduzenten ausleihen.

Julian: Vielen Künstler oder Content Creator gibt es nun die Möglichkeit ihre Werke schützen zu lassen, um dann diese Rechte weiterzuverkaufen und sich so zu finanzieren. Denken Sie dieses Model hat Zukunft? Ja/Nein und warum?

Luca: Meiner Meinung nach werden Projekte, welche das geistige Eigentum sogar an den NFT Besitzer übertragen noch erfolgreicher sein als umgekehrt. Die CryptoPunks gehören zur ersten Kategorie. Die Besitzer eines Punks verfügen gleichzeitig nicht über das geistige Eigentum. Hingegen Bored Apes (BAYC) Halter sind im Besitz des geistigen Eigentums und dürfen mit dem NFT beispielsweise eine Dokumentation drehen. Die NFTs des BAYC sind heute wertvoller als die CryptoPunks.

Julian: Können Sie sich vorstellen, dass dieses Model, in 10 Jahren, in der ganzen digitalen Welt so eingesetzt wird? Ja/Nein und warum?

Luca: Die Musikindustrie wird es dieses Jahr vorzeigen. Ein gutes Beispiel ist die Plattform Opulous. Im Gegensatz zu anderen NFTs bietet Opulous den Käufern einen Anteil am Urheberrecht der Musik. Die monatlichen Streaming Einnahmen werden proportional auf die Käufer verteilt. Eine Win-Win Situation für Künstler und Käufer. Schreitet die Karriere des Künstlers voran, steigen die monatlichen Umsätze und somit auch der Wert des NFTs. Das NFT, welches ein Teil des Urheberrechts der Musik repräsentiert, ist anschliessend auf einer Börse handelbar. Solche Konzepte kann ich mir für den ganzen digitalen Bereich vorstellen, als auch für physische Objekten wie Immobilien.

Julian: Bei NFT, wie bei jeder neuen Technologie, fragt man sich schnell nach dem Verbraucherschutz. Wie kann bei so einem komplexen System garantiert werden, dass der Verbraucher seine Rechte und Pflichten kennt? Wer übernimmt diese Schulungen?

Luca: Schlussendlich sind wir, diejenigen die NFTs kaufen, Investoren. In erster Linie hat jeder der sein Geld investiert, vor allem in einen heute noch sehr spekulativen Bereich wie NFTs, sich selbst zu informieren und Entscheidungen zu treffen. Wir als Cryptoverse sind in diesem Fall eine mögliche Anlaufstelle. Weiter müssen sich entsprechende Institutionen zeitnah mit solchen neuen Konzepten auseinandersetzen und passende Mechanismen implementieren. Meistens schreitet die Technologie schneller voran und die Institutionen hinken hinterher.

Julian: In welchen Wirtschaftsbereichen oder bei welchen Systemen finden Sie den Einsatz von Blockchains und NFT wichtig und bei welchen obsolet?

Luca: Wir erwarten, dass Smart Contracts in absehbarer Zeit in allen traditionellen Industriezweigen in grossem Umfang implementiert werden.

Der Hauptunterschied zwischen einem Smart Contract und einem traditionellen Vertrag ist, dass ein Smart Contract sich nicht auf eine dritte Partei verlässt; kryptografischer Code erzwingt ihn.

Beginnen würde ich in Bereichen, wo Transparenz erforderlich ist und gleichzeitig fundamentale Vertrauensprobleme existieren. Wie bereits erwähnt ist eine Blockchain ein neuer Weg, um Dezentralisierung zu implementieren. Um einige konkrete Beispiele zu nennen:

Finanzsektor: 1.7 Milliarden Menschen leben heute noch ohne Bankkonto. Noch mehr haben keine Zugriffe auf Finanzprodukte, welche Renditen einbringen. Möchte man einen Kredit aufnehmen überprüft ein Institut die Personalien und trifft eine Entscheidung, möglicherweise noch aufgrund persönlicher Ansichten (Vorurteilen). Viele DeFi-Anwendungen nutzen Smart Contracts, um alle Arten von Anwendungsfällen zu erleichtern. Durch die Nutzung von Smart Contracts und die Verwendung eines Blockchain-Oracles, können DeFi-Plattformen auf eine völlig freie und skalierbare Weise arbeiten. Aave zum Beispiel ist ein quelloffenes Liquiditätsprotokoll für die Verzinsung von Einlagen und das Ausleihen von Vermögenswerten. DeFi-Anwendungen stehen jedem Menschen auf dieser Erde frei zur Verfügung.

Lieferketten: Wenn ein festgelegter Sendungsstandort verifiziert wird, erfolgt die Freigabe von Kapital/Zahlung durch den Smart Contract. Eine einfache Anwendung, die eine Menge Zeit für Logistik, Überwachung und Papierkram spart. Die Diamantenindustrie ist hier ein Vorreiter. Jeder Diamant wird ab Entnahme in der Mine direkt auf einer Blockchain erfasst. Es wird hinterlegt, welcher Arbeiter ihn gefunden hat, wer ihn wo geschliffen hat etc. Das Zertifikat bestätigt den Käufer, hier keinen Blutdiamanten gekauft zu haben. Dies kann vom Diamantenförderer als Verkaufsargument genutzt werden. Dies ist eigentlich mit fast jedem Gut möglich, vom T-Shirt bis zum Elektrochip. Innerhalb von Lieferketten können zudem Schnittstellen vereinfacht gehandhabt werden. VeChain vertreibt eine solche Lösung: Innerhalb einer Lieferkette wird deren Tracking-System implementiert und sämtliche Akteure benutzen dieses dann. So gibt es keine Schnittstellen-Probleme mehr aufgrund verschiedener Software. Beziehungsweise können immer noch verschiedene Software verwendet werden, aber die Daten haben alle bereits dieselbe Struktur, VeChain schafft diese Struktur mit seiner Blockchain.

Versicherungen und Prognosemärkte: Mithilfe von Smart Contracts und Oracles können reale, offene Internetdaten an die Blockchain weitergegeben werden, einschliesslich Informationen über Marktbewegungen, Wetterbedingungen, Sportergebnisse usw. Dies macht das Leben für Entwickler und Endnutzer gleichermassen deutlich einfacher und vertrauenswürdiger. Versicherungen können ihre Dienste auf der ganzen Welt anbieten.

Man fragt sich vielleicht warum so viele unterschiedliche Blockchains existieren. Eine Blockchain kann man sich als Betriebssystem vorstellen. Microsoft ist gut geeignet für Büroapplikationen. Das MacOS ist optimiert für graphische Inhalte. Ähnlich ist es bei Blockchains. Die Ethereum Blockchain gilt als sehr sicher und dezentral, ist jedoch nicht sehr skalierbar. Die Blockchain Solana ist bekannt für eine hohe Skalierbarkeit. Jede Blockchain eignet sich für unterschiedliche Anwendungen mehr oder weniger. Kryptowährungen und NFTs sind Use Cases einer Blockchain.